Mittwoch, 30. September 2015

Haftgrund Wiederholungsgefahr

Das Kammergericht hat zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr beim Betrug entschieden, dass Betrugstaten nur dann als Anlasstaten im Sinne des § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO in Betracht kommen, wenn sie hinsichtlich ihrer Art der Tatausführung oder des Umfangs des verursachten Schadens in ihrem Schweregrad in etwa einem besonders schweren Fall des Diebstahls gemäß § 243 StGB entsprechen.
Ein tatsächlicher oder erstrebter Vermögensschaden von knapp 1.800,00 € zum Nachteil eines Versandhandelsunternehmens qualifiziert somit weder den Schweregrad der Tat, noch deren Unrechtsgehalt als überdurchschnittlich. 

Freitag, 25. September 2015

Bedingter Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit?

Die Grenze zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit liegt eng beieinander. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Merkmale der inneren Tatseite in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden müssen. Geboten sei eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände.
Wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Angeklagter eher auf das Ausbleiben eines Taterfolgs vertraut hat, als ihn gleichgültig hinzunehmen, so muss sich der Tatrichter nachvollziehbar damit auseinandersetzen, bevor er von einem billigenden Inkaufnehmen ausgeht. 

Donnerstag, 10. September 2015

Der Bundesgerichtshof zum Totschlag und Körperverletzungsvorsatz

Der Bundesgerichtshof hat zum minderschweren Fall des Totschlags ausgeführt, dass eine für sich gesehen nicht als gravierend einzustufende Provokation dann als „schwer“ zu bewerten ist, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der „Tropfen“ war, der das „Fass zum Überlaufen brachte“.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das starke Schütteln eines Säuglings nicht zwingend einen Körperverletzungsvorsatz dokumentiert. Obwohl allgemein bekannt ist, dass das starke Schütteln eines zwei Monate alten Säuglings zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Gesundheit und sogar zu lebensgefährdender Gesundheitsbeschädigung führen kann, kann ein Körperverletzungsvorsatz zu verneinen sein. Dies gilt dann, wenn der Täter sich in der konkreten Tatsituation aufgrund seiner kognitiven Einschränkungen dieser Gefahr nicht bewusst war und diese sich für ihn aufgrund der ersten unkontrollierten Bewegung des kindlichen Kopfes auch nicht erschloss.  

Dienstag, 1. September 2015

Psychische Ausnahmesituationen oder Störungen

Psychische Ausnahmesituationen oder Störungen können neben einer Beeinträchtigung der Erkenntnisfähigkeit dazu führen, dass der Täter die von seinem Handeln ausgehende Lebensgefahr für das Opfer unzutreffend beurteilt.
Wenn eine lebensgefährliche Wahltat spontan, unüberlegt und in affektiver Regung ausgeführt wird, so kann laut BGH aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten auf eine billige Inkaufnahme des Erfolgseintritts geschlossen werden. 

Montag, 24. August 2015

Spannendes aus den Gerichten

  1. Das OLG Hamburg hat beschlossen, dass eine inhaltlich unzutreffende oder unzureichende Mitteilung über außerhalb der Hauptverhandlung und in Abwesenheit des Angeklagten geführte Erörterungen grundsätzlich dessen Verteidigungsposition berührt. Aus diesem Grunde kann das Beruhen des späteren Urteils auf diesem Rechtsmangel nicht ausgeschlossen werden; es liegt ein Revisionsgrund vor.
  2. Für die Beurteilung einer bewussten Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit eines Opfers beim Tötungsversuch ist nach Meinung des BGH`s grundsätzlich auf die Lage zu Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs und damit den Eintritt der Tat in das Versuchsstadium abzustellen. Hängt die Umsetzung des geplanten Tötungsverhaltens jedoch noch vom Eintritt der Bedingung ab, das Opfer werde den Täter beispielsweise wieder abweisen, so scheidet das Mordmerkmal der Heimtücke aus.
  3. Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass eine Zurechnung eines von einem Mittäter verwirklichtem Mordmerkmals – hier die niedrigen Beweggründe – nach § 25 Abs. 2 StGB auch dann nicht möglich ist, wenn insoweit „Solidarität“ festgestellt wurde. 

Donnerstag, 20. August 2015

Mündliche Äußerungen unter Verwendung von Notizen oder eines Manuskripts

Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass es einem Angeklagten grundsätzlich gestattet ist, seine mündlichen Äußerungen unter Verwendung von Notizen oder eines Manuskripts abzugeben. Im vorliegenden Fall war dem Angeklagten die Verlesung eines von ihm angefertigten mehrseitigen Manuskripts vom Vorsitzenden einer Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main untersagt worden, „weil dies nicht als Teil der Vernehmung anzusehen sei“. Der BGH hat nun entschieden, dass dies rechtsfehlerhaft war.

Freitag, 14. August 2015

Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus

Bei der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus führt nicht automatisch jede therapeutische Schwierigkeit und nicht jedes weisungswidrige Verhalten des Untergebrachten im Rahmen seiner Therapie zu der Erwartung, er werde in der Freiheit erneut rückfällig werden. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat beschlossen, dass die Fortdauer einer aus Anlass eines sexuellen Kindesmissbrauchs angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Landeskrankenhaus eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erneuter Missbrauchstaten erfordert. Nur geringfügige Regelverstöße im Rahmen des Behandlungsverhältnisses vermögen die Fortdauer der Unterbringung nicht zu rechtfertigen, soweit sie nicht geeignet sind, die Erwartung zu begründen, der Untergebrachte werde erneut Kinder missbrauchen.

Mittwoch, 5. August 2015

Interessantes aus den Oberlandesgerichten

  • Das Oberlandesgericht Bremen hat beschlossen, dass die Auslieferung eines Inhaftierten nach Bulgarien unzulässig ist, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die dort in der Untersuchungshaft oder auch Strafhaft zu erwartenden Haftbedingungen den völkerrechtlichen Mindeststandards nicht genügen. Ergänzend hierzu führt das Oberlandesgericht Celle aus, dass eine Auslieferung dann unzulässig sei, wenn die Zustände im Zielland die fundamentalen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung oder völkerrechtlich verbindliche Mindeststandards auf dem Gebiet der Menschenrechte nicht erfüllt.
  • Das Oberlandesgericht Nürnberg hat entschieden, dass beim Zusammentreffen der Vollstreckung von Freiheitsstrafen mit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus unterschiedlichen Erkenntnisverfahren der Heilung des Verurteilten deutlich Vorrang vor dem Strafaspekt einzuräumen ist. So ist ein Straftäter möglichst schnell einer therapeutischen Behandlung zuzuführen, auch wenn bereits widerrufene Strafreste noch zu vollstrecken sind. 

Donnerstag, 30. Juli 2015

Anspruch auf Übersetzung in die Muttersprache

Ein Angeklagter hat stets Anspruch auf Übersetzung der gegen ihn gerichteten Anklageschrift. Er hat das Recht, innerhalb möglichst kurzer Zeit in seiner Muttersprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen unterrichtet zu werden. Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass dies grundsätzlich schon vor der Hauptverhandlung zu geschehen hat und auch in dem Fall, in welchem dem Angeklagten ein Verteidiger beigeordnet wurde. Eine mündliche Übersetzung der Anklageschrift genüge nur in Ausnahmefällen. Dies dann, wenn der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfacher Art sei.