Mittwoch, 25. November 2015

Straftat eines Rechtsanwalts: Tatbestand der Untreue

Der BGH hat beschlossen, dass für die Straftat eines Rechtsanwalts, der den Tatbestand der Untreue ausschließlich dadurch verwirklicht, in dem er pflichtwidrig dem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern auf seinem Geschäftskonto belässt, die Strafmilderungsvorschrift des § 313 Abs. 2 StGB zugutekommt. Die Unterscheidung zwischen den Begehungsformen der Untreue durch aktives Tun oder Unterlassen hat sich daran zu orientieren, ob zu dem bloßen Gelderhalt ein Tätigwerden des Rechtsanwalts, wie zum Beispiel dem Verwenden des Geldes zu eigenen Zwecken oder dem Ableugnen des Zahlungseingangs hinzutritt oder sich der Vorwurf im bloßen Untätigbleiben nach Zahlungserhalt erschöpfe. 

Freitag, 13. November 2015

Zweimal Interessantes vom BHG

  1. Der Bundesgerichtshof hat zur Stoffgleichheit zwischen erstrebtem Vermögensvorteil und Betrugsschaden beschlossen, dass es an einem stoffgleichen Vermögensvorteil fehlt, wenn durch die vorhersehbare und auch vom Angeklagten vorhergesehene Nichterfüllung eines Kfz-Kaufvertrags lediglich ein Schaden in Höhe der Überführungskosten entsteht. Eine Strafbarkeit wegen Betruges scheidet dann aus.
  2. Der BGH hat beschlossen, dass der maßgebliche Anknüpfungspunkt für den Tatbestand der Untreue bereits die Speisung einer schwarzen Kasse sei. Der spätere Mittelabruf aus dieser schwarzen Kasse sei zur Verwirklichung des Untreutatbestands rechtlich irrelevant. 

Dienstag, 3. November 2015

Bundesgerichtshof zum Thema Drohungscharakter und Betrug im Internetversandhandel

  1. Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass auch eine bloße „Warnung“ Drohungscharakter haben kann. Abgrenzung von Warnung und Drohung sei ebenso aus der Sicht des Empfängers zu bestimmen, wie die Frage, ob das angekündigte ein empfindliches Übel sei. Das in Aussicht stellen einer Strafanzeige in einem anwaltlichen Mahnschreiben kann in diesen Fällen ein besonderes Gewicht erlangen. Ebenso wie die Position des Bedrohten das Gewicht einer Drohung mindern kann, kann das Gewicht einer Drohung durch die berufliche Stellung des Drohenden erhöht werden.
  2. Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass in den Urteilsgründen zum Betrug zum Nachteil eines Internetversandhandels grundsätzlich festzustellen und darzulegen ist, welche irrigen Vorstellungen diejenige Person hatte, die die Vermögensverfügung getroffen hat. Es sei daher zwingend erforderlich, die irrende Person zu ermitteln und in der Hauptverhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. 

Montag, 19. Oktober 2015

Verdeckter Ermittler im Drogengeschäft

Das OLG Bamberg hat im Hinblick auf Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der europäischen Menschenrechtskonvention beschlossen, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens dann verletzt sein kann, wenn das im Rahmen einer Tatprovokation durch eine von der Polizei geführte Vertrauensperson angesonnene Drogengeschäft nicht mehr in einem deliktsspezifisch angemessenen Verhältnis zu dem gegen den provozierten, stehenden Tatverdacht steht.
Wenn ein verdeckter Ermittler oder eine Vertrauensperson der Polizei an einem Drogengeschäft mitwirkt, so stellt diese staatliche Mitwirkung am Drogengeschäft stets einen bestimmenden Strafmilderungsgrund dar. Bei einem so erfolgten Betäubungsmittelscheinkauf darf sich das tatrichterliche Urteil nicht auf die Mitteilung der reinen Verkaufs- und Übergabeverhandlungen nebst Mengen- und Preisangaben beschränken. In diesen Fällen ist für die Bestimmung des individuellen Schuldgehalts stets eine in sich geschlossene und damit aussagekräftige Darstellung der unter polizeilicher Mitwirkung erfolgten Scheinkäufe und aller sonstigen relevanten Begleitumstände unverzichtbar. Dies gilt insbesondere für die ursprüngliche Tatgeneigtheit des Verdächtigen, die Modalitäten der Geschäftsanbahnung und die Intensität der Einwirkung auf den Angeklagten. 

Dienstag, 13. Oktober 2015

Interessante Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 13.10.2015

Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zum 
Schadensersatz dem Grunde nach wegen Nichtnominierung des Dreispringers Charles Friedek für die Olympischen Spiele 2008 in Peking.

Der Kläger, der seit dem Jahr 1997 professioneller Leichtathlet in der Disziplin Dreisprung war, fordert von dem beklagten Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), einem eingetragenen Verein, Schadensersatz, weil dieser ihn nicht als Leichtathlet für die Olympischen Sommerspiele in Peking (15. bis 24. August 2008) nominiert hat.

[...] 

Der unter anderem für das Vereinsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts zurückgewiesen. Der Beklagte ist als Monopolverband zur Nominierung von Athleten, welche die vom Beklagten selbst gestellten Nominierungsvoraussetzungen erfüllen, verpflichtet. Diese Pflicht hat der Beklagte schuldhaft verletzt, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Nominierungsrichtlinien des Beklagten bei dem gebotenen objektiven Verständnis dahin auszulegen, dass der Kläger die Olympianorm im Dreisprung mit dem zweimaligen Erreichen der B-Norm in einem Wettkampf erfüllt hatte. Im weiteren Verfahren wird das Landgericht nunmehr über die Höhe des dem Kläger dem Grunde nach zustehenden Schadensersatzanspruchs zu entscheiden haben. 

LG Frankfurt - Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2-13 O 302/10 (CaS 2012, 67) 

OLG Frankfurt - Urteil vom 20. Dezember 2013 - 8 U 25/12 (SpuRt 2014, 74 = CaS 2014, 48) 

____________________
Quelle:
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Haftbefehl und Haftgrund

  • Das Oberlandesgericht Hamm hat beschlossen, dass der Erlass eines Haftbefehls gegen einen Beschuldigten, dessen Strafhaft in anderer Sache in Kürze endet, dann unverhältnismäßig ist, wenn während der Strafhaft in anderer Sache genügend Zeit zur Verfügung gestanden hatte, um das Strafverfahren, in welchem der Haftbefehl erlassen werden soll, voraussichtlich rechtskräftig abzuschließen und in dieser Zeit das Verfahren aus der Justiz zuzurechnenden Gründen nicht hinreichend gefördert wurde.
  • Der Haftgrund der Verdunklungsgefahr erfordert, dass die konkrete Gefahr droht, dass die Ermittlungen der Wahrheit durch Handlungen des Beschuldigten erschwert wird. Daran fehlt es regelmäßig, wenn die Beweise bereits so gesichert sind, dass ein Beschuldigter die Wahrheitsfindung grundsätzlich nicht mehr behindern kann. Bei der Gefahr der Einflussnahme auf Zeugen kann dies insbesondere dann angenommen werden, wenn eine richterlich protokollierte Aussage des jedenfalls im Vernehmungszeitpunkt unbeeinflussten Zeugen bereits vorliegt. 

Freitag, 2. Oktober 2015

Haftbeschwerde während der Hauptverhandlung

Erhebt ein Angeklagter während laufender Hauptverhandlung eine Haftbeschwerde und begründet diese damit, dass nach der bisherigen Beweisaufnahme der dringende Tatverdacht entfallen sei, so muss das erkennende Gericht, wenn es der Haftbeschwerde nicht abhelfen will, sich mit dem Vortrag des Angeklagten in seinem Nichtabhilfebeschluss auseinandersetzen. Nur dann ist dem Beschwerdegericht die uneingeschränkte Überprüfung der angefochtenen Entscheidung möglich. Es muss in die Lage versetzt werden, dass mitgeteilte Ergebnis auf einer vertretbaren Bewertung der zurzeit für und gegen einen dringenden Tatverdacht sprechenden Umstände einzuschätzen. 

Mittwoch, 30. September 2015

Haftgrund Wiederholungsgefahr

Das Kammergericht hat zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr beim Betrug entschieden, dass Betrugstaten nur dann als Anlasstaten im Sinne des § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO in Betracht kommen, wenn sie hinsichtlich ihrer Art der Tatausführung oder des Umfangs des verursachten Schadens in ihrem Schweregrad in etwa einem besonders schweren Fall des Diebstahls gemäß § 243 StGB entsprechen.
Ein tatsächlicher oder erstrebter Vermögensschaden von knapp 1.800,00 € zum Nachteil eines Versandhandelsunternehmens qualifiziert somit weder den Schweregrad der Tat, noch deren Unrechtsgehalt als überdurchschnittlich. 

Freitag, 25. September 2015

Bedingter Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit?

Die Grenze zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit liegt eng beieinander. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Merkmale der inneren Tatseite in jedem Einzelfall besonders geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden müssen. Geboten sei eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände.
Wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Angeklagter eher auf das Ausbleiben eines Taterfolgs vertraut hat, als ihn gleichgültig hinzunehmen, so muss sich der Tatrichter nachvollziehbar damit auseinandersetzen, bevor er von einem billigenden Inkaufnehmen ausgeht. 

Donnerstag, 10. September 2015

Der Bundesgerichtshof zum Totschlag und Körperverletzungsvorsatz

Der Bundesgerichtshof hat zum minderschweren Fall des Totschlags ausgeführt, dass eine für sich gesehen nicht als gravierend einzustufende Provokation dann als „schwer“ zu bewerten ist, wenn sie nach einer Reihe von Kränkungen oder ehrverletzenden Situationen der „Tropfen“ war, der das „Fass zum Überlaufen brachte“.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass das starke Schütteln eines Säuglings nicht zwingend einen Körperverletzungsvorsatz dokumentiert. Obwohl allgemein bekannt ist, dass das starke Schütteln eines zwei Monate alten Säuglings zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Gesundheit und sogar zu lebensgefährdender Gesundheitsbeschädigung führen kann, kann ein Körperverletzungsvorsatz zu verneinen sein. Dies gilt dann, wenn der Täter sich in der konkreten Tatsituation aufgrund seiner kognitiven Einschränkungen dieser Gefahr nicht bewusst war und diese sich für ihn aufgrund der ersten unkontrollierten Bewegung des kindlichen Kopfes auch nicht erschloss.  

Dienstag, 1. September 2015

Psychische Ausnahmesituationen oder Störungen

Psychische Ausnahmesituationen oder Störungen können neben einer Beeinträchtigung der Erkenntnisfähigkeit dazu führen, dass der Täter die von seinem Handeln ausgehende Lebensgefahr für das Opfer unzutreffend beurteilt.
Wenn eine lebensgefährliche Wahltat spontan, unüberlegt und in affektiver Regung ausgeführt wird, so kann laut BGH aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten auf eine billige Inkaufnahme des Erfolgseintritts geschlossen werden. 

Montag, 24. August 2015

Spannendes aus den Gerichten

  1. Das OLG Hamburg hat beschlossen, dass eine inhaltlich unzutreffende oder unzureichende Mitteilung über außerhalb der Hauptverhandlung und in Abwesenheit des Angeklagten geführte Erörterungen grundsätzlich dessen Verteidigungsposition berührt. Aus diesem Grunde kann das Beruhen des späteren Urteils auf diesem Rechtsmangel nicht ausgeschlossen werden; es liegt ein Revisionsgrund vor.
  2. Für die Beurteilung einer bewussten Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit eines Opfers beim Tötungsversuch ist nach Meinung des BGH`s grundsätzlich auf die Lage zu Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs und damit den Eintritt der Tat in das Versuchsstadium abzustellen. Hängt die Umsetzung des geplanten Tötungsverhaltens jedoch noch vom Eintritt der Bedingung ab, das Opfer werde den Täter beispielsweise wieder abweisen, so scheidet das Mordmerkmal der Heimtücke aus.
  3. Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass eine Zurechnung eines von einem Mittäter verwirklichtem Mordmerkmals – hier die niedrigen Beweggründe – nach § 25 Abs. 2 StGB auch dann nicht möglich ist, wenn insoweit „Solidarität“ festgestellt wurde. 

Donnerstag, 20. August 2015

Mündliche Äußerungen unter Verwendung von Notizen oder eines Manuskripts

Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass es einem Angeklagten grundsätzlich gestattet ist, seine mündlichen Äußerungen unter Verwendung von Notizen oder eines Manuskripts abzugeben. Im vorliegenden Fall war dem Angeklagten die Verlesung eines von ihm angefertigten mehrseitigen Manuskripts vom Vorsitzenden einer Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main untersagt worden, „weil dies nicht als Teil der Vernehmung anzusehen sei“. Der BGH hat nun entschieden, dass dies rechtsfehlerhaft war.

Freitag, 14. August 2015

Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus

Bei der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus führt nicht automatisch jede therapeutische Schwierigkeit und nicht jedes weisungswidrige Verhalten des Untergebrachten im Rahmen seiner Therapie zu der Erwartung, er werde in der Freiheit erneut rückfällig werden. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat beschlossen, dass die Fortdauer einer aus Anlass eines sexuellen Kindesmissbrauchs angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Landeskrankenhaus eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erneuter Missbrauchstaten erfordert. Nur geringfügige Regelverstöße im Rahmen des Behandlungsverhältnisses vermögen die Fortdauer der Unterbringung nicht zu rechtfertigen, soweit sie nicht geeignet sind, die Erwartung zu begründen, der Untergebrachte werde erneut Kinder missbrauchen.

Mittwoch, 5. August 2015

Interessantes aus den Oberlandesgerichten

  • Das Oberlandesgericht Bremen hat beschlossen, dass die Auslieferung eines Inhaftierten nach Bulgarien unzulässig ist, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die dort in der Untersuchungshaft oder auch Strafhaft zu erwartenden Haftbedingungen den völkerrechtlichen Mindeststandards nicht genügen. Ergänzend hierzu führt das Oberlandesgericht Celle aus, dass eine Auslieferung dann unzulässig sei, wenn die Zustände im Zielland die fundamentalen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung oder völkerrechtlich verbindliche Mindeststandards auf dem Gebiet der Menschenrechte nicht erfüllt.
  • Das Oberlandesgericht Nürnberg hat entschieden, dass beim Zusammentreffen der Vollstreckung von Freiheitsstrafen mit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus unterschiedlichen Erkenntnisverfahren der Heilung des Verurteilten deutlich Vorrang vor dem Strafaspekt einzuräumen ist. So ist ein Straftäter möglichst schnell einer therapeutischen Behandlung zuzuführen, auch wenn bereits widerrufene Strafreste noch zu vollstrecken sind. 

Donnerstag, 30. Juli 2015

Anspruch auf Übersetzung in die Muttersprache

Ein Angeklagter hat stets Anspruch auf Übersetzung der gegen ihn gerichteten Anklageschrift. Er hat das Recht, innerhalb möglichst kurzer Zeit in seiner Muttersprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen unterrichtet zu werden. Der Bundesgerichtshof hat beschlossen, dass dies grundsätzlich schon vor der Hauptverhandlung zu geschehen hat und auch in dem Fall, in welchem dem Angeklagten ein Verteidiger beigeordnet wurde. Eine mündliche Übersetzung der Anklageschrift genüge nur in Ausnahmefällen. Dies dann, wenn der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfacher Art sei. 

Dienstag, 14. Juli 2015

Neues vom Bundesgerichtshof

  1. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es unzulässig ist, wenn ein Tatgericht die Zulässigkeit der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten auf § 231 Abs. 2 StPO stützt, wenn dasselbe Gericht dem Angeklagten zuvor die weitere Teilnahme an seiner Hauptverhandlung freigestellt hat.
  2. Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass der Schriftverkehr zwischen einem inhaftierten Angeklagten und seinem Strafverteidiger keiner Kontrolle unterliegt, sofern ein Mandatsverhältnis besteht und das Schriftstück auch als „Verteidigerpost“ gekennzeichnet ist. Eine Kontrolle des Schriftverkehrs zwischen Verteidiger und Angeklagtem darf nur im Hinblick darauf erfolgen, ob es sich nach äußeren Merkmalen tatsächlich um Verteidigerpost handelt. Ein Öffnen der als Verteidigerpost gekennzeichneten Sendungen ist selbst in Fällen des Missbrauchsverdachts unzulässig. Begründete Zweifel an der Verteidigerstellung dürfen lediglich dazu führen, dass das Schriftstück ungeöffnet zurück gesandt wird. 

Montag, 6. Juli 2015

Unterlassen der Beschuldigtenbelehrung

Wenn Strafverfolgungsbehörden wegen eines sich „verdichtenden Verdachts“ andere Behörden um Mitteilung zusätzlicher Verdachtsmomente bitten, so liegt hierin ein die Beschuldigteneigenschaft begründender Willensakt.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ab diesem Moment die Schutzbestimmungen des Beschuldigten aus § 163a Abs. i. V. m. 136 Abs. 1 Satz 2 StPO greifen und nicht umgangen werden dürfen. Soweit ein Tatverdächtigter vor diesem Hintergrund als Zeuge vernommen wird, führt das Unterlassen der Beschuldigtenbelehrung zu einem Beweisverwertungsverbot der Äußerungen aus dieser Vernehmung. 

Donnerstag, 21. Mai 2015

Erpressung einer Prostituierten

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Erpressung einer Prostituierten dergestalt, dass ihr der Verzicht auf das ursprünglich vereinbarte Entgelt abgenötigt werden soll, nur dann in Betracht kommt, wenn die abgesprochene sexuelle Handlung zuvor einvernehmlich erbracht worden ist. Entgegen den Willen der Prostituierten erzwungenen Geschlechtsverkehr kommt kein Vermögenswert im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB zu. Die erfolgte Rechtsgutverletzung pflegt sich in diesen Fällen allein in einem Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung der betroffenen Frau nieder.

Mittwoch, 13. Mai 2015

Weiteres zum Durchsuchungsbeschluss

Das Landgericht Kaiserslautern hat festgestellt, dass ein Durchsuchungsbeschluss nur dann seine verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, wenn die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichend eingegrenzt und der behauptete Tatverdacht nicht nur mit formelhaften Sätzen begründet ist.

Montag, 4. Mai 2015

Anordnung einer Durchsuchung

Das Landgericht Freiburg hat beschlossen, dass für die Anordnung einer Durchsuchung das Vorliegen eines Anfangsverdachts erforderlich ist, der die Annahme einer Straftat und damit die Einleitung des Ermittlungsverfahrens rechtfertigt. Es ist nicht ausreichend, wenn dieser Anfangsverdacht allein auf Erkenntnissen beruht, die aus Telefonüberwachungsmaßnahmen resultieren, sofern sich der Tatverdacht nicht auf eine sogenannte Katalogtat richtet.

Dienstag, 17. März 2015

Verhältnismäßigkeit bei Durchsuchungen im Rahmen von länger zurückliegenden Tatverdachten

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Durchsuchungen aufgrund von bereits länger zurückliegenden Tatverdachten grundsätzlich verhältnismäßig sind. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgt zwar das verfassungsrechtliche Gebot der hinreichenden Erfolgsaussicht einer Durchsuchung, jedoch ist diesem genüge getan, wenn aufgrund kriminalistischer Erfahrung eine Vermutung dafür besteht, dass die gesuchten Beweismittel – beispielsweise Drogen – bei den Durchsuchungsmaßnahmen auch (noch) aufgefunden werden können. Je länger aber der spätestmögliche Tatzeitpunkt zurückliegt, umso höher werden die Anforderungen an die Begründung einer gleichwohl noch bestehenden Erfolgsaussicht.

Mittwoch, 4. März 2015

Oberlandesgericht Hamburg zum Thema Bewährungswideruf

Das Oberlandesgericht Hamburg hat festgestellt, dass ein Bewährungswiderruf eine aktuelle Prognose erfordere. Bei der Bewertung, ob wegen begangener neuer Straftaten die weitere Einwirkung des Strafvollzugs unverzichtbar ist, kann sich das Widerrufsgericht an vormals getroffenen Prognosen nicht mehr orientieren, wenn sich die Lebensverhältnisses des Verurteilten auch wegen der Dauer der seitdem vollzogenen Freiheitsstrafe verändert haben, um eine bereits begonnene soziale Integration nicht nachhaltig zu gefährden.

Mittwoch, 18. Februar 2015

Verfassungsgerichtshof zur Verwertbarkeit einer "Steuer-CD"

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Rheinland-Pfalz hat sich mit der Verwertbarkeit der durch eine Privatperson illegal erlangten sogenannten „Steuer-CD“ befasst. Danach ist die Verwertbarkeit der „Steuer-CD“ bei der Anordnung eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses stets an dem Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren zu messen. Die erhöhten Anforderungen an ein verfassungsrechtliches Verwertungsverbot entbinden die Ermittlungsbehörde nicht von ihrer grundsätzlichen Pflicht nur in rechtskonformer Art Beweise zu erheben. Das Recht des Beschuldigten auf Unverletzlichkeit seiner Wohnung führt bei der Beantragung des Durchsuchungsbeschlusses dazu, dass dem Richter alle entscheidungserheblichen Tatsachen mitgeteilt werden. Dies gilt insbesondere für die Umstände der Beweiserhebung, wenn ein Verwertungsverbot im Raum steht. Die Wirksamkeit des Richtervorbehalts ist grundrechtssichernd. Sie muss gewährleistet bleiben. Hierfür haben Gerichte und Strafverfolgungsbehörden gemeinsam Sorge zu tragen.

Samstag, 10. Januar 2015

Oberlandesgericht München zur Menschenwürde und zum Persönlichkeitsrecht

Das Oberlandesgericht München hat sich mit die Menschenwürde verletzenden Anordnungen an den Angeklagten zur Feststellung seiner Verhandlungsfähigkeit beschäftigt. Es hat festgestellt, dass die Objektivierung der Verhandlungsunfähigkeit eines Angeklagten nicht durch Anordnungen herbeigeführt werden darf, die den Angeklagten in seiner menschlichen Würde und seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht tiefgreifend beeinträchtigen. Im vorliegenden Fall hatte der Vorsitzende angeordnet, Erbrochenes des Angeklagten zwecks späterer Untersuchungen durch einen Sachverständigen aufzubewahren.